vom 16. Mai bis 26. Mai 2012
Nach einem ersten Übernachtungsstopp in der Lüneburger Heide und einer kleinen Radtour bei Soltau sind wir am Montag weitergefahren nach Kiel. In Kiel-Wik liegt direkt an der Einfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal ein Stellplatz mit spektakulärer Sicht auf die vorbeifahrenden "Pötte". Auch von der zweiten Reihe aus war das für uns ein tolles Schauspiel.
Am Dienstag früh haben wir dann noch eingekauft und schon um 14 Uhr ging es auf die Fähre nach Klaipeda in Litauen. Welche Überraschung.... den gleichen Typ mit absolut identischer Innenausstattung hatten wir auch von und nach Sizilien! Wieder waren wir froh über unsere Außenkabine, in der wir die ruhige Überfahrt ganz entspannt verbringen konnten. Anders als nach Sizilien waren hier die Fahrzeugdecks bis auf den letzten Zentimeter ausgefüllt, entsprechend lange hat das Stauen gedauert.
Klaipeda begrüßte uns mit 10°C und Regen. Die ursprünglich geplante Fahrt auf die Kurische Nehrung haben wir deshalb verschoben und sind stattdessen nach Kaunas aufgebrochen. Am Kaunasser Meer, einem Stausee, liegt das Freilichtmuseum von Rumsiskes. Praktischerweise kann man auf dem großen Parkplatz davor auch gleich übernachten. Am nächsten Tag schien dann sogar die Sonne! Auf einer riesigen Fläche, der einfache Rundweg ohne Abstecher ist 7 km lang, wurde in Originalgebäuden die Bau- und Lebensweise ganz Litauens vom Ende des 17.Jh. bis ins 20.Jh. dargestellt. Durch die schöne und abwechslungsreiche Hügellandschaft sind wir mit den Rädern gefahren und haben uns von der Tagelöhnerkate bis zum reichen Gutshof, von Windmühlen bis zum Pferdegestüt alles angeschaut, wirklich sehr lohnend.
Am Nachmittag geht es bei strahlendem Sonnenschein weiter nach Druskininkai.
Vorher besuchen wir noch den Skulpturenpark des mit Pilzexporten zum Millionär gewordenen Sammlers Malinauskas. Er kaufte im ganzen Land Skulpturen und Denkmale auf, die zur Sowjetära Marktplätze, Bahnhofsvorplätze und Rathausplätze "zierten". In einem rund 20 ha großen Waldstück stehen nicht nur rund 90 Erbstücke der sowjetischen Monumentalistik, sondern auch Wachtürme mit Stacheldraht und Beschallung mit sowjetischer Propagande, die an die sibirischen Lager erinnern.
Gleich beim Eingang des Grutas-Parks steht ein Viehwaggon, mit dem die Gefangenen nach Sibirien deportiert wurden und eine große Wand, auf der die (nicht immer positiven) Stimmen der Weltpresse aufgehängt sind.
Im Jahr 2001 erhielt er für dieses Projekt, mit dem sich Malinauskas nicht nur Freunde gemacht hat und das ebenfalls die Erinnerung an die Okkupation wachhalten soll, den alternativen Friedensnobelpreis.
Der Rundgang durch diese skurrile Anhäufung ideologisierter Monumente ist irgendwie beklemmend und man ist froh, wenn man am Schluß noch zu einem kleinen Zoo kommt.
Druskininkai (rund 17.000 Einwohner) ist seit Beginn des 19.Jh. ein berühmter Kurort. Entsprechend gepflegt ist der gesamte Ort. Restaurants, Cafés und Galerien laden zum Besuch ein. Jetzt in der Vorsaison war es hier noch sehr ruhig. Viele schöne Rad- und Wanderwege sind um die verschiedenen Seen und entlang des Nemunas (Memel) angelegt. Hier haben wir das sommerliche Wetter genossen und noch zwei weitere Attraktionen mit dem Fahrrad besichtigt.
Zuerst ging es zum Forstmuseum Girios Aidas (Echo des Waldes). Das Hexenhäuschen ist aus Holz rund um eine riesige Eiche gebaut, die alle drei Stockwerke durchzieht. Eine Ausstellung über Flora und Fauna des Waldes, sowie Holzskulpturen sind zu sehen.
Weiter dann zum Skulpturenpark des Künstlers Atanas Cesnulis in Naujasode mit einer Windmühle und der Ausstellung an einem kleinen Flüßchen.
Am Montag, den 21. Mai hat das Thermometer dann 28°C erreicht. Wir verlassen Druskininkai und fahren den Nemunas (die Memel) entlang bis ins Mündungsgebiet bei Vente.
Wie bisher überall in Litauen ist auch hier wenig Verkehr, die Straßen sind mal besser, mal schlechter. Das Land ist dünn besiedelt, wenige kleine Weiler und einzelne Gehöfte sind zu sehen. Nahezu jeder Weiler, ja, fast jedes Haus hat hier seinen eigenen Storchenhorst und entsprechend viele Störche haben wir gesehen, einmal fünf Störche auf einer kleinen Wiese. Allerding gibt es hier auch fast nur noch Weißstörche, der Schwarzstorch ist selten.
Auffällig sind auch die vielen Bushaltestellen im Nirgendwo. Man sieht oft kein Haus, keine Siedlung, aber an den Straßen Bushaltestellen, selbst auf der Autobahn. Sie werden auch regelmäßig bedient, die Leute überqueren dann auch die vierspurigen Autobahnen, z.T. auf Zebrastreifen! Wendeschleifen auf diesen Straßen sind ebenfalls völlig normal.
Nach einer ruhigen Nacht in Vente (im Mündungsgebiet der Memel) nehmen wir am Dienstag Mittag für 112,90 Litas die Fähre (300 Meter) auf die Kuhrische Nehrung (Neringa). Nach wenigen Kilometern sind weitere 50,-- Litas Eintritt für den Nationalpark fällig, alles zusammen rund € 50,--.
Durch Kiefern- und Föhrenwälder fahren wir auf der alten Poststrasse 45 km nach Nida. Dort ist auch der einzige Campingplatz. Es ist heiß, der Blütenstaub macht uns zu schaffen, das Wohnmobil ist nach zwei Tagen grüngelb.
Eine schöne Aussicht hat man von der Parnidisdüne mit der Sonnenuhr auf das Örtchen Nida und die Ostsee. Mit den Rädern am Haff entlang, die hübsch hergerichteten Häuser anschauen, Einkehr in einem Restaurant mit Blick auf das Wasser, nett.
Hier eine kleine Auswahl der herausgeputzen Häuser in Nida. Sie sind meist in blau, weiß oder mit bräunlicher Farbe gestrichen als Symbole für das Meer, die Schaumkrone und die Erde.
Und hier die Dünenlandschaft
Besonders gut gefallen hat uns eine 5-stündige Bootsfahrt mit einem kleineren Boot ins Mündungsdelta des Nemunas (Memel) im gleichnamigen Regionalpark. Hier waren wir in Vente (Windenburg) schon ein paar Tage zuvor auf dem Landweg, wollten aber auch unbedingt einen Eindruck vom Wasser aus haben.
Der erste Stopp war die alte (von 1907) und neue Pumpstation auf der einzigen Insel Litauens in Rusne (Ruß) am Atmataufer. Dort wird nach der Schneeschmelze im Frühjahr das Wasser, das die Felder und Wiesen überflutet, in den Nemunas und damit zum Abfluß ins Haff gepumpt.
Danach ging es auf einem Seitenarm nach Minija (Minge) mitten in das Delta. Die Hauptstrasse ist der Wasserweg, im Ort leben dauerhaft nur neun Familien. Eine zünftige Brotzeit an einem sehr schönen Gehöft und die Rückfahrt vorbei an vielen Seerosen, Schwänen etc. hat nicht nur uns begeistert, Ein toller Ausflug!
Neben den vielen Störchen, die uns tagelang begleitet haben, gibt es hier im Delta auch viele Schwäne und Vögel. In Vente ist eine große Vogelwarte, die jährlich 60.000 bis 80.000 Vögel beringt und am UNESCO Projekt zur Erforschung des Vogelflugs mitwirkt. In den Volieren haben wir viele verschiedene Vogelarten gesehen.
Hier geht es beschaulich zu. Am Wochenden und nach Feierabend wird das Boot startklar gemacht und man fährt mit Freunden oder der Familie zum Fischen, dann wird gegrillt, gemeinsam gegessen und getrunken und der Tag klingt angenehm aus. Sehr entspannend. Die Atmosphäre steckt auch irgendwie an, Hektik gibt es keine, es ist alles sehr relaxed. Uns gefällt das gut.
An unserem letzten Tag auf der Kurischen Nehrung haben wir den Radweg, der von Smiltyne (Ortsteil von Klaipeda) ganz im Norden über 45 km in den Süden nach Nida führt vom Campingplatz in Nida bis Juodkrante befahren, haben dort gut und urig gegessen und sind dann auf dem gleichen Weg wieder zurück. Der Tacho hat am Ende 76 km angezeigt. Glücklicherweise hat es nun keine 30°C mehr, sondern "nur" noch 25°C, ideal zum Radfahren. Die beiden Ortschaften auf dem Weg Preila und Pervalka sind reine Feriengebiete, hier wohnen dauerhaft nur wenige Menschen, sie sind zwar hübsch, aber in der Vorsaison auch entsprechend öde.
Leider kamen mit dem schönen Wetter nun auch die Stechmücken, die in der Dämmerung den Aufenthalt im Freien ganz schön beeinträchtigen. Immerhin ist es bis 22.30 Uhr hell, so dass das kein Riesenproblem ist.
Auf unserer Fahrt durch Litauen haben überall der Flieder und die Kastanienbäume geblüht. Es gibt richtige Alleen mit riesigen haushohen Fliederbüschen, es riecht wunderbar. Neben den vielen Störchen wird uns auch das in Erinnerung bleiben.
Über die Entstehung des Kurischen Haffs gibt es eine hübsche Sage:
Die Riesin Neringa liebte die Fischer und half ihnen auf jede nur erdenkliche Art und Weise. Bei Sturm sorgte sie dafür, dass sie sicher eine der damals zahlreichen Inseln erreichten. Dies erboste den Meeresgott Bangputis ("Wellenbläser") und er ließ es das ganze Jahr hindurch stürmen. Neringa beschloß, einen Wall zu bauen und schleppte unermüdlich Sand in ihrer großen Schürze heran, um die Küste vor Wellen und Sturm zu schützen. Sie schüttete einen hundert Kilometer langen Damm auf, der das heutige Haff vom Meer trennte und den Fischern ein sicheres Gewässer bot. Aus Dankbarkeit nannten sie das Land Neringa.
Überall im Land sieht man Schilder, die darauf hinweisen, dass hier mit Mitteln der EU gebaut wird. Nicht nur Straßenbauprojekte, sondern erfreulicherweise auch viele Radwege entstehen so auch mit unseren Steuermitteln.
Damit endet nun auch der erste Teil unserer Reise durch Litauen. Wir fahren nach einer Besichtigung von Klaipeda weiter nach Lettland. Auf der Rückreise kommt dann die Fortsetzung, vor allem mit der Hauptstadt Vilnius.